claire angelini – 13th /livres
claire angelini – 13th /livres
Quelle méthode sensible pour faire émerger la part de temps enfouie contenue dans un lieu ? Das dreizehnte Zimmer, proposition de montage en forme de livre-palimpseste, s’interroge sur les strates tues ou ignorées de l’histoire d’un lieu : il s’agit ici d’aborder par l’ESPACE une mémoire collective, de la confronter à sa part enfouie ou refoulée.
The 13th Room, qui revient quelques années plus tart sur la proposition princeps, se pose aussi comme un manifeste qui inscrit, sous la forme du livre-objet une méthode possible pour faire travailler le passé dans le présent. Plurilingue, la partie « catalogue » du livre s’ouvre à des textes d’auteurs venus du champ de la photographie, de la critique de cinéma et de l’histoire, pour aborder la singularité de cet objet visuel.
DEUX LIVRES
UN LIVRE FILM EN PAGES TRANSPARENTES
2001
PROJET DU LABORATOIRE HISTOIRE
250 pages transparentes, relié.
Production : Kunstlerhaus villa Waldberta /Affaires culturelles de la ville de Munich.
LIVRE 1
UN LIVRE UNIQUE DU LABORATOIRE HISTOIRE
1. En se penchant sur la période 1930-1950 dans un village d’Allemagne du sud, le projet met peu à peu à jour les traces restées de cette époque dans les consciences, et leur expression dans l’espace d’aujourd’hui. Pour cela, il confronte le langage subjectif des souvenirs et des récits dessinant un creux une responsabilité souvent traumatique autant qu’un oubli lié au refoulement, au lieu concret dans lequel ils se projettent, et à l’objectivité des documents.
Réflexion sur les points de contacts entre l’intime, l’espace public et privé, et l’archive aujourd’hui, ce montage palimpseste permet correspondances, échos, tensions et contaminations entre des narrations et des époques différentes.
LIVRE 2
UN LIVRE UNIQUE DE CLAIRE ANGELINI
The 13th room qui fait suite quelques années plus tard au premier projet, réalisé en collaboration, cherche maintenant à mettre à nu, non plus seulement les strates tues ou ignorées de l’histoire d’un lieu, mais avec elles la méthode même du travail, qui révèle que dans les ratures, recherches et essais apparents, se creuse l’esprit même d’un lieu . L’espace s’appréhende alors un feuilletage de signes superposés qui se travaillent par l’image, le mot, le signe.
Plurilingue, la partie en forme de « catalogue » du livre, s’ouvre à des textes d’auteurs venus du champ de la photographie, de la critique de cinéma et de l’histoire, pour complexifier la singularité de cet objet visuel.
Livre d’artiste – 2010
UN LIVRE FILM ET MÉTA OBJET DE CLAIRE ANGELINI
96 pages transparentes, relié.
Réalisation et layout : Claire Angelini
Textes : Annette Becker, Sandra Starke, Benoît Turquety
Production: GALERIE SAMUEL LALLOUZ, Montréal et Claire Angelini.
Point de vue (Deutsch)
par Ivo Kranzfelder
Institut für Kunstgeschichte, Munich, 2010 dreizehnte Zimmer. Claire Angelini hat sich als Thema ihrer Arbeit einen konkreten Ort vorgenommen, Feldafing am Starnberger See. Sie entblättert die Geschichte dieses Ortes in einem bestimmten Zeitsegment, legt im Wortsinne die einzelnen Schichten frei – Ge-schichte –, zeigt in der Transparenz das Durchscheinende, die Kontaminierung der Gegenwart durch die Vergangenheit und ebenso die verschiedenen Elemente, aus denen sich die sogenannte Realität zusammensetzt. Man ahnt die letztlich kaum darstellbare Komplexität dessen, was wir als „Realität“ zu akzeptieren gewohnt sind, was uns aber im kontinuierlichen Fluss der Zeit notgedrungen zwischen den Fingern zerrinnt.
Die Technik einer historischen Spurensuche mit im weitesten Sinne künstlerischen Mitteln speist sich aus vielen Quellen und Anregungen. Hier sind die französischen Historiker Marc Bloch, Lucien Febvre, Fernand Braudel oder Philippe Ariès zu nennen, bekannt geworden als „Annales“-Schule, nach der gleichnamigen Zeitschrift. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie über eine positivistisch geprägte Geschichtsauffassung hinausgingen, die etwa im Sinne des deutschen Historikers Leopold von Ranke, "Objektivität" einfordert. Für Ranke ist die Aufgabe von Geschichtsschreibung, zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen“. Die Historiker um „Annales“ bezogen dagegen auch „weiche“ Faktoren in ihre Forschungen mit ein, wie Mentalitätsgeschichte oder das allgemeine geistige und kulturelle Umfeld, aber auch beispielsweise die klimatischen Bedingungen. Ein ähnliches Ziel verfolgte im Bereich der Kunstgeschichte die sogenannte Ikonologie. Als ihr Begründer gilt der Kunsthistoriker Aby Warburg. Dessen vorrangiges Thema war die Beziehung zwischen Antike und Renaissance und dort insbesondere das Verhältnis von Magie und Wissenschaft. Er betrieb Motivforschung und verfolgte Geschichte und Wandel von Motiven von der Antike bis in seine eigene Gegenwart hinein. Dabei arbeitete er mit Fotografien, meist Reproduktionen, die nicht nur dem Bereich der Kunst entstammten, sondern auch sogenannten trivialen Medien wie zum Beispiel illustrierten Zeitschriften entnommen waren. Diese Bilder heftete er auf Tafeln, Pin-boards, um im assoziativen visuellen Vergleich zu neuen Erkenntnissen zu kommen. Den so entstehenden Bilder-Atlas nannte er „Mnemosyne“, Gedächtnis.
Etwa um die gleiche Zeit, in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, traten in Paris die Surrealisten auf den Plan. Wie der Name schon sagt, zielten auch sie auf eine Erweiterung des gängigen positivistischen Realitätsverständnisses hin. Der Fiktion, also der Kunst im weitesten Sinne, sowie Phänomenen wie dem Traum räumten sie eine der „Realität“ mindestens gleichwertige Stellung ein. Zuerst traten sie mit einem pseudowissenschaftlichen Anspruch auf, später publizierten sie in „Minotaure“, der von Albert Skira herausgegebenen und dann von ihnen selbst übernommenen Zeitschrift, neben Artikeln zur Kunst Beiträge zu allen möglichen Themengebieten, darunter ethnographische Expeditionsberichte, etwa von Michel Leiris, oder die ersten Aufsätze des Psychoanalytikers Jacques Lacan. Methodisch waren sich die französischen Historiker, der deutsche Kunsthistoriker und die Pariser Künstlergruppe gar nicht so unähnlich, auch wenn ihre Zielrichtung unterschiedlich war. Anders als die Wissenschaftler setzten die Surrealisten auf die Unterminierung gängiger Praktiken, auf Verunsicherung, auf die Torpedierung vermeintlicher Erkenntnisse und Gewissheiten.
Selbst aus diesen wenigen Andeutungen ergibt sich das Bild einer Zeit, in der versucht wurde, interdisziplinär zu denken und zu forschen, wobei künstlerischen Techniken ein den Wissenschaften vergleichbarer Rang eingeräumt wurde. Die Technik der Collage findet sich – ausgehend von den Kubisten – nicht nur bei den Surrealisten wieder, wo sie in allen nur möglichen Varianten eingesetzt wurde, sondern in gewisser Weise eben auch in den Geschichtswissenschaften und besonders bei Warburg. So konnten neue Sinnzusammenhänge erschlossen werden.
Die Surrealisten allerdings verschoben die Akzente. Ihr „Trick“, wie Walter Benjamin das bezeichnete, „besteht in der Auswechslung des historischen Blicks aufs Gewesene gegen den politischen“. Und nicht umsonst nannte Benjamin den „Sürrealismus“, wie er sagte, im Untertitel seines 1929 erschienenen Aufsatzes „die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz“. Benjamin bewegte sich im Umkreis des Frankfurter „Instituts für Sozialforschung“, später bekannt geworden unter dem Namen „Frankfurter Schule“. Auch dieses Institut war der interdisziplinären Forschung gewidmet. Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse beschäftigten sich ebenfalls explizit mit dem Surrealismus.
Elemente davon sind in eines Hauptwerke der Kritischen Theorie eingeflossen, in die „Dialektik der Aufklärung“ von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Es wurde im Exil in Los Angeles geschrieben, erstmals 1944 in Form einer Matrize publiziert, und als Buch dann 1947 in Amsterdam. Die erste deutsche Ausgabe wurde erst 1969 gedruckt. Die Autoren bezeichneten ihr Buch im Untertitel als „Philosophische Fragmente“, was darauf hinweist, dass eine geschlossene Form gar nicht intendiert war. Sie hegten keinen Zweifel, so Horkheimer und Adorno in der Vorrede, dass die Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unabtrennbar sei. „Jedoch glauben wir, genauso deutlich erkannt zu haben, dass der Begriff eben dieses Denkens, nicht weniger als die konkreten historischen Formen, die Institutionen der Gesellschaft, in die es verflochten ist, schon den Keim zu jenem Rückschritt enthalten, der heute überall sich ereignet.“
Es sollte – nach der „Dialektik der Aufklärung“ – zu einem Allgemeinplatz geworden sein, dass einerseits Elemente der Ideologie, die dem Nationalsozialismus zu seinem Erfolg verhalfen, schon vorher latent vorhanden waren, und dass andererseits vieles, was dort propagiert und praktiziert wurde, heute als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Realität gilt. Vor allem auf letzteres hat Adorno insistierend immer wieder hingewiesen.
Von der öffentlichen Akzeptanz solcher Gedanken sind wir heute jedoch weiter entfernt denn je. Sie sind verschlossen im „dreizehnten Zimmer“. Claire Angelinis Projekt erinnert daran, sowohl als konkrete Fallstudie als auch als allgemein formaler und methodischer Hinweis.
Ivo Kranzfelder, 2010